Am 27. Januar 2022, 77 Jahre nach der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, erinnerte der Landtag von Baden-Württemberg mit einer zentralen Gedenkfeier in Ravensburg an die Opfer des Nationalsozialismus. Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 9 des Eichendorff-Gymnasiums hatten die Gelegenheit, in der großen Aula der Schule online zu dieser Gedenkveranstaltung zugeschaltet zu werden, um diese live zu erleben. Im Zentrum stand das Schicksal der Sinti und Roma. „Es war sehr interessant“, meinte Lilith aus der 9b, „so viel über die Sinti und Roma zu erfahren – wo wir bislang kaum etwas über sie wussten“.
Die Landtagspräsidentin Muhterem Aras ging von der These aus, dass Erinnerungsarbeit ein „Motor für gesellschaftliche Entwicklung“ sein könne. Kinder und Jugendliche der Sinti und Roma seien häufig in „Förderschulen abgeschoben“ worden, heute jedoch könne „Erinnerungsarbeit einen mittelbaren Beitrag für ihre schulische Integration“ in allen Schularten leisten.
Der Oberbürgermeister von Ravensburg, Dr. Daniel Rapp, wies darauf hin, wie schwierig es auch heute noch sei, nicht nur zu sagen, „Nazis“ hätten Schuld auf sich geladen, sondern konkret von „Ravensburgern“ und ihrer Verantwortung im und für den Nationalsozialismus zu sprechen.
Der Vertreter des Landesverbandes der Sinti und Roma, Daniel Strauß, beschrieb Ravensburg als den Ort des größten NS-Lagers für Sinti und Roma in Süddeutschland und benannte die Zahl ihrer Opfer mit insgesamt 500.000.
Die Historikerin Karola Frings von der Forschungsstelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg hielt einen Fachvortrag und referierte das Schicksal der Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Sie wies darauf hin, dass ihre Ermordung als „Völkermord“ zu bewerten sei, da es zuvor bereits „ohne staatliche Anordnung“ zu gesellschaftlicher Ausgrenzung gekommen sei.
Zum Abschluss wurde ein Filmbeitrag eingespielt, der zeigte, wie junge Mitglieder der Minderheit heute in Deutschland leben. In diesem Beitrag kam auch eine Zeitzeugin zu Wort, die über ihre Haft im Konzentrationslager berichtete.
Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung diskutierten die Schülerinnen und Schüler ihre Wahrnehmungen. Besonders beeindruckt waren sie von Daniel Strauß, weil er von seinem persönlichen Schicksal berichtete – sein Vater hatte als junges Kind das KZ überlebt. Es sei sehr bewegend gewesen, als er gesagt habe, „woran wir heute erinnern, kann ich kaum in Worte fassen“. Auch der Bericht einer Zeitzeugin machte großen Eindruck – sie erzählte von ihrer kleinen Tochter, die, ebenfalls in KZ-Haft genommen, dort zu Tode gekommen war.