Ankündigung der Oberstufentheater-AG
- Frau Bertram
- vor 2 Tagen
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Maria Stuart (nach Friedrich Schiller)
Es klingt nach einem Klassiker: Der Kampf zweier Königinnen um die Herrschaft über das britische Imperium. Die Mächtigsten untereinander im Face-to-face um die Macht. Aber das wäre zu wenig für einen Autor wie Schiller, der stets komplexere Ideen und echte Charaktere auf die Bühne zu bringen beansprucht. In Schillers Drama geht es um mehr als um diese äußerliche Machtprobe; es geht um die Freiheit und die persönliche Integrität zweier Frauen, die gerade aufgrund ihres Geschlechts in jenen Zeiten um 1600 noch viel stärker im Korsett der unterschiedlichsten Rollenerwartungen stecken, als es heutzutage überhaupt erahnbar ist.
Wie es vielleicht auch noch Politikerinnen unserer Zeit erleben, wird von Frauen deutlich mehr erwartet als von den männlichen Pendants in Führungspositionen. Und obendrein glaubt Mann (sic!), dass Frauen vielleicht auch noch leichter zu manipulieren seien. So ist Elisabeth I. von England, die ihre schottische Rivalin in England (rechtswidrig?) gefangen hält, zwar in der überlegenen Position, wird aber gerade deswegen als Spielball ihrer sehr unterschiedlichen Berater betrachtet. Talbot, Lord of Shrewsbury, wirkt im Namen der staatspolitisch kalkulierten Vernunft auf sie ein, sie dürfe Maria nicht töten, damit mache sie sich schuldig und führe eine Glorifizierung des „Opfers“ ungewollt herbei. Es stehe vielmehr an, Größe zu zeigen und sie gerade nicht töten zu lassen. Lord Burleigh, der kämpferische Hardliner und 100%-Engländer, drängt auf die Ermordung der schottischen Widersacherin. Schiller lässt es Burleigh auf die griffige Formel „Ihr Leben ist dein Tod, dein Tod ihr Leben“ bringen. Und schließlich Lord Leicester, der Typ Mann, der nichts anderes will, als selbst möglichst viel Macht zu gewinnen und sich daran zu ergötzen, ein Manipulator, ein Schmeichler, ein Strippenzieher.
Es ist der großen dramatischen Kunst Schillers zu verdanken, dass wir kein Schwarz-Weiß-Drama erleben, auch die schottische Kontrahentin hat Licht und Schatten, ist bisweilen frei und autonom, aber auch innerlich gefangen und emotional. Diese Schiller´schen Frauen sind intelligent, sie wissen, was sie tun, aber sie sind klug genug zu erkennen, dass sie auch in einem Korsett stecken, das ihnen die Realpolitik aufgezwängt hat.
Nicht ohne Grund zeigt diese Inszenierung elf verschiedene Elisabeth- und Maria-Darstellerinnen, alle eingezwängt in ihre Corsage, die ´mal weise, ´mal instinktiv agieren oder reagieren und dadurch ihr Korsett sprengen, bis am Ende die Risse zu groß werden, um darin noch zu überleben. Die Idee hinter dieser Besetzung: Jede Frau kann zu Elisabeth, kann zu Maria werden. Am Ende nimmt die Tragödie ihren Lauf, denn wie bei vielen Machtkämpfen gibt es am Ende (fast) nur Verlierer*innen.
In einer straffen Textfassung mit einigen überraschenden postdramatischen Elementen, die den Klassiker für moderne Sehweisen geschmeidig machen, zeigt die Theater-AG dieses höchst aktuelle Stück über Machtautomatismen und die Kunst der Agitation und lässt dabei die Sprache Schillers ehrfürchtig und für moderne Ohren sehr verständlich erklingen, sodass auch jüngere Zuschauer*innen an diesem Drama viel Vergnügen haben werden. (von Michael Polty)
